• Amalie Geburtszentrum Chefarzt Wolf Lütje

    Dr. Wolf Lütje

     

    "Für fast jede Hürde haben wir eine

    Steighilfe. Jede Frau braucht etwas

    anderes. Wir führen sie alle auf den

    Berg –

    nur begleitend hinter ihnen oder am

    Seil oder mit der Gondel, ja sogar dem

    Hubschrauber."

     

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Der Druck wächst: Die perfekte Schwangerschaft und Babyzeit

"Ratgeber, Babykurse, Elternforen - überinformiert, aber nicht aufgeklärt", so titelte kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung und beschrieb damit das heutige "Dilemma": "Man könnte denken, dass Kinder zu bekommen und großzuziehen zu einer Wissenschaft geworden ist. Werdende Eltern scheinen durch die Fülle an Angeboten und Informationen nicht mehr Vertrauen zu gewinnen; vielmehr nimmt die spürbare Verunsicherung zu", so die Zeitung weiter. "Geburt in Hamburg" fragte den ehemaligen Chefarzt des Geburtszentrums am Amalie Sieveking-Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf, Dr. Wolf Lütje, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Geburtshilfe war.

 

Herr Dr. Lütje, Sie waren von 2012 bis 2023 Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe im Amalie und seitdem stiegen die Geburtszahlen jedes Jahr aufs Neue. Was war Ihr Erfolgsrezept?

Diese positive Entwicklung hat viele Gründe und ein wesentlicher ist natürlich das Team, das mit großer Kompetenz und ebenso großem Engagement bei der Sache ist! Zusätzlich haben wir mit der starken Betonung auf die natürliche Geburt und der psychosomatischen Begleitung auch eine Nische besetzt, die stark nachgefragt wird. Letztlich geht es darum, die schwangeren Frauen bei allen medizinisch-technischen Errungenschaften, die auch wir natürlich im Angebot haben, zu ermutigen, stärker auf ihre Intuition zu hören und ihren eigenen Kraftquellen zu vertrauen.

 

Warum passiert das denn nicht automatisch?

Das hat sicherlich damit zu tun, dass gedanklich mit der Geburt heute vor allem Risiken verbunden werden, die kontrolliert werden müssen. Dieses Kontrollbedürfnis beginnt schon weit vor der Schwangerschaft – alle Rahmenbedingungen für den geplanten Nachwuchs müssen stimmen. Das entspricht dem modernen Selbstverständnis, „alles im Griff“ haben zu wollen. Und wenn dann die Geburt als eine potenzielle Katastrophe wahrgenommen wird, die beherrscht werden müsse, sind wir schnell bei Fragen wie „Vielleicht doch lieber ein Kaiserschnitt?“ oder gar der Auffassung, die Verantwortung komplett an die Profis abzugeben, die die Kontrolle übernehmen sollen. Leider wird dieser Auffassung auch von Seiten der Geburtshelfer viel zu selten widersprochen.

 

Aber eine Geburt birgt doch auch Risiken?

Natürlich, das bestreite ich nicht. Aber es macht einen Unterschied, ob ich mich als Arzt komplett auf mögliche Risiken fokussiere und dementsprechend auch die Schwangere beeinflusse, oder aber eine Haltung einnehme, die ich mal mit „guter Hoffnung“ beschreiben möchte: Ich erwarte keine Katastrophe, weiß aber, was zu tun ist, wenn sie eintreten sollte.

 

Das beinhaltet auch das Vertrauen in die natürliche Geburt, wie Ihr jüngstes Buch betitelt ist?

Genau! Als Geburtshelfer sollten wir das Vertrauen der Frauen an sich selbst und damit auch in die natürliche Geburt stärken! Im Übrigen fehlt es den Frauen heute leider auch häufig an einem persönlichen Wissen um die Geburt: Die Hälfte der Schwangeren weiß fast nichts über ihre eigene Geburt, geschweige denn über die Geburt der Mutter. Dieses kollektiv Unbewusste in den Erfahrungen der Generationen von Frauen, die geboren haben, wird kaum mehr abgerufen. Stattdessen wird das Wissen um Kaiserschnitt, PDA, also um Interventionen bei der Geburt, immer größer.

 

Was sind die Rahmenbedingungen für eine gute Atmosphäre während der Geburt?

Dazu bedarf es dreierlei, und das hat zunächst wenig mit den äußeren Rahmenbedingungen zu tun. Erstens: Die Schwangere ist in der Lage, ihr Kontrollbedürfnis zu regulieren und die Geburt eben nicht gedanklich bis ins letzte Detail zu planen, was sowieso nicht funktioniert. Zweitens: Sie erlebt in der betreuenden Geburtsklinik eine Kontinuität vom Infoabend bis zur Entlassung. Also eine Betreuung aus einem Guss und eben keine widersprüchlichen Auskünfte, die verunsichern. Und drittens: Sie ist jederzeit an allen Entscheidungen beteiligt, von dem seltenen Notfall einmal abgesehen. 

 

Der Partner kam jetzt gar nicht vor. Dabei bieten Sie doch extra Männerabende an, die über Monate im Voraus ausgebucht sind …

Die Rolle des Partners im Kreißsaal kann man auf die einfache Formel bringen: Es geht darum, dass er nicht stört. Sobald er seiner Partnerin den Eindruck vermittelt, sie müsse sich jetzt auch noch um ihn kümmern, hilft seine Anwesenheit nicht, sondern stresst die werdende Mutter und schadet damit eher. Für ihn gibt es im Kreißsaal nichts zu tun, deshalb kann er bildlich gesprochen seinen Werkzeugkoffer getrost zu Hause lassen. Das fällt manchen Männern schwer, ist aber so. Und es kann durchaus passieren, dass die Frau nach der Geburt ihrem Partner sagt: „Ohne Dich hätte ich das nie geschafft“, obwohl er einfach nur anwesend war. Übrigens: Es kommt auch vor, dass ein Mann nicht mit in den Kreißsaal möchte oder seine Partnerin das nicht will. Das ist weder lieblos noch feige, sondern manchmal sinnvoll.

 

Stand der Berufswunsch Gynäkologie bei Ihnen schon mit Beginn des Medizinstudiums fest? Immerhin sind Sie ja als Präsident der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe auch an psychischen Fragestellungen sehr interessiert.

Die Psyche spielt für das Wohlbefinden eines Menschen eine überragende Rolle und muss deshalb auch bei der Behandlung von Krankheiten immer mit ins Blickfeld genommen werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Gynäkologie und – explizit keine Krankheit - vor allem für die Geburt, die ja weit mehr ist als der rein physiologische Geburtsvorgang. Ursprünglich hatte ich vor, als Arzt in die Entwicklungshilfe zu gehen und hierzu gehörte sowohl eine gute Ausbildung in der Chirurgie wie auch in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Bis heute betreue ich medizinische Projekte in Nepal, doch während meiner Ausbildung wuchs das Interesse an geburtshilflichen und gynäkologischen Themen, so dass ich zuerst in München, später dann im nordrhein-westfälischen Viersen als Geburtshelfer und Gynäkologe in oberärztlicher bzw. chefärztlicher Position tätig war. Danach bin ich sehr gerne dem Ruf ins Amalie gefolgt und habe es bis heute nicht bereut – es ist ein fantastisches Krankenhaus mit einem großartigen Team in einem wunderschönen Stadtteil.

 

Sie sind also in Volksdorf angekommen?

Absolut. Als verantwortlicher Arzt im Krankenhaus und Vater von zwei kleinen und weiteren fünf Kindern entferne ich mich selten aus dem Stadtteil und genieße etwa Kino oder Schwimmbad hier vor Ort sehr. Letztlich sind mein Beruf und meine Familie die wesentlichen Bezugspunkte in meinem Leben, und beides spielt sich in Volksdorf ab. Ich bin also ein überzeugter Volksdorfer.


Haben Sie neben der Familie weitere Hobbies?

Vieles bleibt aufgrund der beruflichen Auslastung auf der Strecke, aber eine halbe Stunde Gitarrenspiel gönne ich mir doch beinahe täglich. Einmal in der Woche besuche ich das Schwimmbad, Tennis will ich auch mal wieder spielen und der Traum, auf der Alster zu segeln, besteht weiterhin. Und ich reise gerne.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Dr. Fabian Peterson

 

INFO Dr. Wolf Lütje

Die Nachfolge von Dr. Wolf Lütje trat am 01. März 2023 Dr. Simon Bühler als neuer Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf an. Lütje verabschiedete sich nach über zehnjähriger chefärztlicher Tätigkeit im Amalie in den Ruhestand.

Lütje hatte 2012 die Chefarztposition in der Frauenklinik als Nachfolger von Dr. Wolfram Czopnik übernommen. Zuvor war er Chefarzt an der Frauenklinik im Allgemeinen Krankenhaus in Viersen (Nordrhein-Westfalen) und unter anderem als Leitender Oberarzt am renommierten „Dritten Orden“ in München tätig gewesen. Als profiliertem Geburtshelfer gelang es Dr. Lütje, das Amalie-Geburtszentrum mit einem psychosomatischen Schwerpunkt neu auszurichten und die Anzahl der Geburten innerhalb kurzer Zeit signifikant zu steigern. Als Mediziner und Psychotherapeut war ihm die bestmögliche Begleitung der werdenden und gewordenen Mütter über das rein Medizinische hinaus sehr wichtig. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von Lütje im Amalie war die Urogynäkologie inklusive netzgestützter Operationsverfahren. Zudem hat sich Dr. Lütje ehrenamtlich zunächst als Vizepräsident und seit 2013 als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe engagiert.  

 

  

Datum der letzten Änderung: 25.08.2023, Redaktionsleitung

Über Dr. Wolf Lütje

Geb. in Hamburg, Medizinstudium in München, Assistenzarzt Diakonissenanstalt München und Frauenklinik Dritter Orden München, 1993 Facharztprüfung, 1993 Funktionsoberarzt, ab 1996 Leitender Oberarzt Frauenklinik Dritter Orden München, Leitender Oberarzt und ab 2004 Chefarzt Frauenklinik Allgemeines Krankenhaus Viersen, seit 2012 Chefarzt Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus, 2013 Präsident DGPFG, Mitglied Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Mitglied Leitlinienkommission „Geburt“ und „Sektio“, Buchautor, verheiratet, sieben Kinder

 

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